Ergebnis Beratungskonzept

Ziel dieses Projektteils war es, aus den durchgeführten Pilotmaßnahmen ein Beratungskonzept für technische Studiengänge in Universitäten zu entwickeln, um Studentinnen mit transdisziplinären Berufszielen aus nicht-technischen Fächern von der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Erwerbs von Zusatzqualifikationen bis hin zum Einstieg in ein technisches Studienfach zu unterstützen.

 

Das hohe Interesse von Frauen an technischen Themen bleibt durch die starke geschlechtsbezogene Segregation von Studiengängen im deutschen Hochschulwesen größtenteils ohne entsprechende Angebote. Diese Studentinnen stellen eine relevante Gruppe dar, die bereits in den Hochschulen angekommen ist, und deren Studienausbildung durch bessere Durchlässigkeit in technische Studiengänge und Lernthemen hinein so erweitert werden kann, dass sie anschließend berufliche Optionen in MINT-Berufen besitzen. Mitarbeiterinnen mit aktuellen Technikkompetenzen werden intensiv nachgefragt. Mit innova­tiven Ergänzungen von Studienabschlüssen und spezifisch erworbenem aktuellem Wissen können transdisziplinäre Entwicklungen in Forschung und Industrie entstehen. Mit dem Verbundprojekt wurde erstmals in Deutschland innerhalb von Universitäten ein strukturiertes Vorgehen erprobt, mit bereits im Studium befindliche Studentinnen das konkrete Interesse am Fachwechsel oder Ergänzungsstudium hin zu einem technischen Fach festzustellen.

A. Vermittlungsstrukturen

Folgende Aspekte sollten beim Aufbau von Vermittlungsstrukturen berücksichtigt werden:

  • die spezifische Zielgruppenfindung in der Hochschule und die strukturelle Zusammensetzung der potentiellen Studentinnenschaft,
  • die Wunschvorstellungen der Studentinnen,
  • die Entscheidungswege und Selbstwahrnehmung der Interessenlagen der Studentinnen,
  • die Art und Wege zur Ansprache der Studentinnen.

Die notwendigen institutionellen Voraussetzungen für Vermittlungsstrukturen sind:

  • Zustimmung oder aktive Unterstützung aus den (nicht-technischen) Herkunftsstudiengängen,
  • Organisatorische Transparenz,
  • Geregelte Kommunikation zu Studentinnen und Veranstaltenden,
  • Erkennbare Kontinuität der spezifischen Angebote.

Erforderlich sind zur Ansprache der Studentinnen:

  • Niedrigschwellige und mehrstufige Ansprachen (mindestens alle 4 Monate)
  • Klares Branding
  • Starker Fokus auf die Bedürfnisse und Wünsche der Studentinnen

Bei Studentinnen anzutreffende liegende Motivationen sind insbesondere:

  • Der allgemeine Wunsch nach Lehrveranstaltungen im fächerübergreifenden Bereich, um sich einschlägige Wissensbereiche für spätere potentielle Berufsfelder zu erschließen.
  • Ein spezifisches fachliches Interesse in einem technischen Gebiet.
  • Der Erwägung eines Studienfachwechsels oder eines Ergänzungsstudiums
    im technischen Bereich.

B. Empfehlungen für spezifische Begleitmaßnahmen im Hinblick auf Fachwechsel und Ergänzungsstudium

Für die strukturelle Verankerung der Lehrangebote zum Erwerb von technischen Kompetenzen bedarf es institutioneller Regelungen bei den General Studies, die formale Anerkennungen von erbrachten Leistungen für alle Studierenden garantieren und auch für externe Stellen transparent machen. Zudem sollten individuelle Kombinationen von Einzelthemen zu abgestuften Zertifikaten führen, um individuelle Passungen oder Verbindungen mit verschiedenen Studiengängen zu ermöglichen (vgl. tatsächliche Entscheidungswege der Studentinnen aus den Pilot-Kohorten).

Die Bildung von Gruppen mit interessierten Studentinnen, die zeitliche Ausgestaltung der Unterrichtsformate sowie die drei thematischen Elemente der erprobten Begleitmaßnahmen haben sich bewährt:

1. Vorbereitung durch Orientierung in Studium und Beruf:

  • Workshops zur Reflexion der eigenen Studiensituation,
    zum Berufsübergang, zur Profilschärfung für eigene Lebenswege, und
    zum beruflichen Netzwerken.

2. Vorbereitung durch fachliche technikbezogene Themen:

  • mehrtägiger anwendungsorientierter Einführungskurs zur Informatik,
  • mehrtägiger transdisziplinärer Einführungskurs zu Nachhaltigkeit und Technik,
  • mehrtägiger Auffrischungskurs Mathematik mit spezifischen Elementen
    für Ingenieurwissenschaften oder Informatik, der insbesondere die Selbstermächtigung und selbständiges Herangehen an mathematische Themen unterstützt.

3. Vorbereitung Berufsfelderkundung:

  • Begegnungen mit Fachfrauen, die über einen vergleichbaren Studien- oder/und Berufsweg berichten inklusive Besichtigungen von Forschungslaboren in den Studiengängen.

C. Empfehlungen zur breiten Stärkung von Technikkompetenzen

Die auf europäischer Ebene in 2018 vereinbarten Empfehlungen über die Kern­kompetenzen für ein Lebenslanges Lernen benennen explizite technische sowie auch digitale Kompetenzen, die allen Bürgerinnen und Bürgern verfügbar sein sollen. Damit stellt sich die Frage, wie an einer Hochschule  Technikkompetenzen additiv oder integrativ zum fachlich-curricularen Lehrangebot eines Studienfachs vermittelt werden sollen und zugleich der Austausch zu einem erweiterten Blick auf die Geschlechtergleichstellung in technischen Berufsfeldern befördert werden kann.

Aus den Arbeiten des Verbundprojekts entstanden folgende allgemeine Empfehlungen zur Stärkung von Technikkompetenzen:

  • Grundlagenkurse zu mathematischen Themen sollten einen festen Platz im General Studies Angebot der Universitäten erhalten (vergleichbar mit dem Grundlagenspektrum im Fremdsprachenangebot einer Hochschule).
  • Technik-/Ingenieurwissenschaftliche Themen fehlen in Deutschland durchweg im Kontext von General Studies und die entsprechenden Studiengänge sind zögerlich mit einer Öffnung; die Veränderung dieser Fachkulturen sollte mit der Entwicklung von transdisziplinären Lehrkonzepten für multidisziplinäre Studierendengruppen begegnet werden.
  • IT/Informatik-Einführungen mit orientierender, transdisziplinärer Ausrichtung sollten ebenfalls im General Studies Angebot der Universitäten aufgenommen werden, wobei das fachliche Niveau auf eine spätere berufliche Nutzung zielen sollte.
  • Besonderes Augenmerk sollte auf genderbewusst gestaltete (darunter auch monoedukativ durchgeführte) Lehre gelegt werden; mit ausgewogenen Geschlechterverhältnissen unter den Lehrenden.

Dem oftmals engen Eignungsverständnis in den technischen Fächern steht die fortschreitende Technisierung und Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelten gegenüber, die Qualifizierungszugänge für Menschen in allen Lebensabschnitten erfordert. Sowohl auf gesellschaftlicher wie fachwissenschaftlicher Ebene wird eine breite Teilhabe an Digitalisierung und Technikthemen daher für unerlässlich erachtet. Dem sollten Hochschulen Rechnung tragen. In Anbetracht der geschlechtsbezogenen Segregation von Studiengängen und des hohen Frauenanteils in nicht-technischen Fächern stehen sie hier vor besonderen Herausforderungen. Die Ausgestaltung von Strukturen und wissenschaftlichen Feldern für die fächerübergreifende Vermittlung von Technik­kompetenzen erfordert daher zugleich Genderforschung als gleichwertigen wissenschaftlichen Ausgangspunkt.

Universitäten, die innerstrukturelle Durchlässigkeit in technische Lernthemen und Studiengänge gestalten wollen, um spezifischen Studierendengruppen den Erwerb technischer Kompetenzen zu ermöglichen, können damit insbesondere Frauen den Zugang zu MINT-Berufen zu erleichtern. Zugleich eröffnen sie in den großen gesellschaftlichen Debatten zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit geschlechterdiverse Optionen für die Verbindung von technischen und sozialen Innovationen.