Die Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft im Rahmen der Digitalen Agenda der Bundesregierung stellt gemeinsam mit den Ländern die Bedeutung von Hightech-Themen als zentrale Herausforderungen der Arbeitswelt in der Digitalisierung heraus und erachtet es als notwendig, Qualifizierungsbedarf und Qualifizierungsform für die Bereiche Aus-, Fort- und Weiterbildung noch besser zu analysieren, und Maßnahmen zur Umsetzung (weiter) zu entwickeln. Zugleich wirbt sie für die Verzahnung von IT- und Ingenieurstudiengängen, um den Anforderungen einer vernetzten Arbeitswelt, in der zunehmend branchenübergreifend gearbeitet wird, zu entsprechen.
Das Verbundprojekt zielte darauf, Frauen als Fachkräfte für die High-Tech-Berufsfelder im Bereich der Informationstechnologie und Ingenieurwissenschaften zu gewinnen. Erfahrungsgemäß haben zahlreiche Studentinnen nicht-technischer Fächer im universitären Umfeld großes Interesse am Erwerb von Technikkompetenzen. Die Studentinnen nicht-technischer Fächer stellen eine relevante Gruppe dar, die bereits in den Hochschulen angekommen ist, und deren Studienausbildung durch bessere Durchlässigkeit in technische Studiengänge und Lernthemen hinein so erweitert werden kann, dass sie anschließend MINT-Berufe ergreifen können. Das hohe Interesse vieler dieser Frauen an technischen Themen bleibt durch die starke geschlechtsbezogene Segregation von Studiengängen im deutschen Hochschulwesen allerdings unbeantwortet. Es war daher ein Projektziel, auf diese bisher in Gleichstellungsmaßnahmen kaum beachtete Zielgruppe hinzuweisen, um für Universitäten einen geschlechtergerechteren Zugang zu technischem Wissen zu entwickeln.
Im Projekt sind zunächst General Studies zur Vermittlung von Technikkompetenzen an deutschen Universitäten analysiert worden. Hieraus wurden Handlungsempfehlungen zur Ergänzung der General Studies Angebote für Hochschulen entwickelt. Darin wird der dringende Ausbau von interdisziplinärer Lehre zur Vermittlung von digitalen Kompetenzen gefordert und ihre geschlechtergerechte Umsetzung angemahnt.
Zugleich wurde in einer Bedarfserhebung unter den Studentinnen aus der Zielgruppe in Erfahrung gebracht, inwiefern sich ein Interesse an einzelnen technischen Fachkompetenzen vom Wunsch nach weitergehenden Angeboten bis hin zum Studienfachwechsel unterscheidet. Hierauf aufbauend wurden Vermittlungsstrukturen entwickelt, die Studentinnen von der Entscheidungsfindung bis zum Einstieg in ein technisches Studienfach begleiten. Als Pilotmaßnahme wurden zwei Kohorten mit Studentinnen gebildet, die sich zum Wechsel in ein technisches Studium entschlossen hatten, und durch Fachkurse sowie Workshops zur Persönlichkeitsentwicklung unterstützt.
Mit diesem Verbundprojekt konnte erstmals in Deutschland innerhalb von Universitäten ein strukturiertes Vorgehen erprobt werden, wie bereits im Studium befindliche Studentinnen hinsichtlich ihres Interesses am Fachwechsel hin zu einem technischen Fach reagieren beziehungsweise wie sie an spezifischen Maßnahmen teilnehmen. Zugleich wurde für deutsche Universitäten beziehungweise für technische Studiengänge eine Beratungsstruktur entwickelt, wie die Aufnahme von Fachwechslerinnen und Studentinnen eines ergänzenden Studiums umgesetzt werden können.
Reaktionen der universitären Fachkollegien aus den technischen Bereichen auf das Vorhaben waren zu Projektbeginn vielfach sehr verhalten bis skeptisch, was auf Spezifika der Fachkultur zurückzuführen ist. In den nicht-technischen Fächern wurde hingegen schnell ein konkretes Interesse an weiterem Austausch erkennbar. Die ausgewiesenen Erfahrungen des Projektteams als Fachfrauen in technischen Forschungsfeldern und der Geschlechterforschung sowie ihre Verankerung in technischen Studiengängen und der Gleichstellungspraxis an Universitäten ermöglichte es, den komplexen universitären Raum auf Handlungsebenen hin auszuloten und strukturelle Hindernisse realistisch einzuschätzen.
So ist beispielsweise „Digital Literacy“ als eigenständiges fachdidaktisches Feld für die Hochschulausbildung bisher in Deutschland kaum ausgeprägt. Hier könnten innovative Schritte ansetzen. In der Universität Hamburg ist mit DATATRICKS eine Initiative zur Integration von Data Literacy Education gestartet, die sowohl fächerübergreifende wie fachspezifische Lehrmodule umfasst. Hieran sind Akteur*innen des Verbundvorhabens maßgeblich beteiligt. Gender- und Diversity Aspekte finden in der Vermittlung besondere Berücksichtigung.
Die auf europäischer Ebene in 2018 vereinbarten Empfehlungen über die Kernkompetenzen für ein Lebenslanges Lernen benennen explizite technische und digitale Kompetenzen, die allen Bürgerinnen und Bürgern verfügbar sein sollen. Während im schulischen Zusammenhang einige dieser Themen auch in Deutschland intensiv diskutiert werden (beispielsweise in der KMK), gelangte die Hochschulbildung und damit eine große Gruppe von Bürger*innen bisher nicht in den Fokus für entsprechende Reformen. Es bleibt demnach noch zu klären, wie an einer Hochschule welche Technikkompetenzen additiv oder integrativ zum fachlich-curricularen Lehrangebot eines Studienfachs vermittelt werden sollen. Besonderes Augenmerk muss dabei auf die proaktive Entwicklung von inter- und transdisziplinären Lehrkonzepten gelegt werden, um verschiedene Optionen für die Hochschulentwicklung zu ermöglichen.